Ali zum Dessert by Akyün Hatice

Ali zum Dessert by Akyün Hatice

Autor:Akyün, Hatice [Akyün, Hatice]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-05-28T16:00:00+00:00


Alis Eltern waren in ihrem Haus in Gönen noch früher aufgestanden. Schließlich hatten sie eine längere Autofahrt vor sich. Alis Mutter trug ihr schönstes Kopftuch, ein Geschenk von Alis Schwester, das sie vor vielen Jahren bei Hermès gekauft hatte. Nie hatte es die Mutter aufgesetzt, weil sie immer auf einen besonderen Anlass gewartet hatte. Nun war er gekommen. Alis Vater trug sein schönstes Hemd, hatte eine Krawatte umgebunden und seine Schuhe frisch geputzt. Die Reise in eine neue Zukunft hatte begonnen.

Von Gönen ging es über die Provinzhauptstadt Balıkesir, dann weiter nach Akhisar, Manisa und schließlich nach Izmir. Nach knapp drei Stunden waren sie angelangt. An einer Autobahnausfahrt waren sie mit Fatma verabredet, vorher hatten sie genau Automarke und -farbe beschrieben. Im Grunde wäre das nicht nötig gewesen, denn Ali hätte sie auch ohne diese Vorsichtsmaßnahme erkannt. Fatma ist sehr sexy, superhübsch und sehr selbstbewusst. Vom Typ her sieht sie aus wie Königin Rania von Jordanien. Jeden Tag geht sie zum Friseur, und sie gibt gern das Geld ihres Mannes für die neuesten Kleider aus.

Damit Ali und seine Familie nicht zu früh eintrafen, legten sie unterwegs eine längere Pause ein. Den Wagen hatten sie von Alis Onkel Sedat geliehen. Ali musste ihn nicht lange dazu überreden. Schließlich war eine Braut für den Onkel Grund genug, die Familie nach Izmir zu begleiten. Ein Türke kommt eben selten allein. Der Onkel hatte das Auto sogar vorher gewaschen, was absolut überflüssig war, denn schon nach wenigen Minuten war es wieder in Staub gehüllt.

»Fahr nicht so schnell, Neffe«, rief der Onkel. Selbstverständlich hatte Ali das Steuer übernommen. »Du kannst es wohl nicht erwarten, deine Schwiegereltern kennenzulernen.« Ali versuchte, höflich zu lächeln. Die alte Kiste fuhr schließlich nicht viel schneller als 120 Stundenkilometer.

Als Ali Fatma an der Autobahnausfahrt stehen sah, bekam er plötzlich weiche Knie. Er begrüßte sie mit Handzeichen, sie gab Gas, und als er ihr folgen wollte, war er so aufgeregt, dass er den Motor erst einmal abwürgte. Der Onkel sagte nichts. Mit verlegenem Lachen startete Ali neu, und bald parkten sie vor dem Haus meiner Eltern. Als sie eintraten, sah Ali sehr irritiert aus. Vielleicht lag es daran, dass meine fünf Nichten ihn hemmungslos angrinsten. Ich merkte, dass ihm die Situation peinlich war, weil er wohl dachte, dass sie ihn auslachen würden. Habe ich Löcher in den Socken? Oder hängt noch ein letzter Rest börek an meinem Kinn?, schien er sich zu fragen.

Aber mein Vater ließ keine Verlegenheit aufkommen. Er stürmte auf Ali zu, umarmte ihn und schrie: »Willkommen, mein Sohn!« Ali erzählte mir später, er habe gespürt, wie glücklich mein Vater darüber war, dass ich einen Ali mitgebracht hatte und keinen Hans. Ich halte das für absoluten Unsinn. Bei meinem mittlerweile hohen Alter glaubte mein Vater nicht mehr daran, dass mich überhaupt noch ein Mann nehmen würde, zumal einer, der beide Augen, alle zehn Finger und zwei Beine hatte. Und dass dieser auch alle fünf Sinne beisammenhaben sollte, damit rechnete er am wenigsten. Das muss also der glücklichste Tag im Leben meines



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